Risiken der ökonomisierten Serendipität

Wenn der Zufall für wirtschaftliche Interessen instrumentalisiert wird und wir uns darauf einlassen, wird uns ein Stück unserer Selbst genommen.

TL;DR

  • es gibt (persönliche) Wertschöpfungen aus Zufällen – die Serendipität
  • Unternehmen, wie Google „ökonomisieren den Zufall“ – er ist nun gemünzt auf einen Nutzer und nicht mehr völlig zufällig
  • Ein nicht mehr gänzlich zufälliger Zufall begrenzt unseren Horizont

Was ist Serendipität?

Serendipität ist die (persönliche) Wertschöpfung aus dem Zufall. So kurz erklärt klingt der Begriff, den ich im Rahmen der Recherchen zu meiner Masterarbeit entdeckte, sicherlich noch etwas kryptisch. Also ein Beispiel:

Ein Buchliebhaber geht gern in Bücherläden, um sich Bücher zu kaufen, das ist klar. An Tagen, an denen er mehr Zeit mitbringt stöbert er durch die Regale, um „Schätze“ ausfindig zu machen. Sobald er zwischen der schier endlosen Zahl an Buchrücken und -covern ein Buch entdeckt welches er schon immer gesucht hat, um die Lücke in der heimischen Bibliothek zu füllen, die dort schon seit Jahren klafft, hat die Serendipität zugeschlagen.

Serendipität ist damit ein entscheidender Bestandteil von Subjektivität, er zeichnet jeden einzelnen Menschen, wen auch in einer unterschwelligen Art und Weise, aus. Ohne Serendipität würde sich sicherlich auch kein Liebespaar finden.

Im Rahmen der Erwachsenenbildung träumt sicherlich jeder Erwachsenenbildner von einem solchen Effekt, der sich in einer Art positiver Irritation niederschlägt und Begeisterung beim Teilnehmer auslöst.

Die Ökonomisierung der Serendipität

Nun ist es leider so, dass der wunderbare Zufall durch diverse technologische Entwicklungen wie eine Goldgrube versucht wird auszubeuten. „I actually think most people don’t want Google to answer their questions, […] They want Google to tell them what they should be doing next“  (vgl. Holman 2010). Es soll nun nicht mehr alleinig auf dem Zufall beruhen, das passende Suchergebnis auf Google zu erhalten. Ich bin mal gespannt, wie lang der „Google-Suche“-Button noch erhalten bleibt, bis er vollständig durch den „direkt zur gesuchten Seite weiterleiten“-Button ersetzt wird. Dafür sind jede Menge Informationen erforderlich, die Google bereits heute beginnt zu akqurieren. Damit könnte auch Amazon bereits vor dem Klick auf „Kaufen“, beginnen binnen 30 Minuten die Waren auszuliefern (vgl. Menn 2013). Jedenfalls wird durch das „Mitdenken“ der Suchmaschine das Sichtfeld für den Suchenden stark eingeschränkt, was Eli Pariser mit „Filter-Bubble“ betitelt (vgl. Pariser 2012). Es werden nur noch Fundstücke angezeigt, die dem Suchenden potentiell wertvoll sein könnten. Bereits heute erhalten zwei verschiedene Personen (vorausgesetzt selbstverständlich an verschiedenen WAN-Adressen zur Trennung der zugeordneten Suchverhalten) unterschiedliche Suchergebnisse des Suchanbieters Google.

Wie Pariser bereits ausführt, und Stampfl (vgl. Stampfl 2013) weiter denkt, führt eine solche individualisierte Informationsbasis zu getrennten Welten der Wahrnehmung. Und die Serendipität geht im wahrsten Sinne des Wortes baden, wenn der Zufall kein Zufall mehr ist, sondern vielmehr ein Spielzeug der nach hohen Gewinnen lechzenden Unternehmen.

Holman, W. Jenkins Jr. (2010). „Google and the Search for the Future“. In: The Wall Street
Journal. zuletzt abgerufen am 10.06.2015. URL : http://www.wsj.com/articles/SB10001424052748704901104575423294099527212

Menn, Andreas und Meike Lorenzen (2013). „Wie realistisch Amazons Drohnenflug ist„. In: Golem.de. zuletzt abgerufen am 09.07.2015. URL: http://www.golem.de/news/amazon-prime-air-wie-realistisch-amazons-drohnenflug-wirklich-ist-1312-103082.html

Pariser, Eli (2012). Filter Bubble : wie wir im Internet entmündigt werden. München: Hanser. ISBN : 978-3-446-43034-1.

Stampfl, Nora S. (2013). Die Berechnete Welt: Leben unter dem Einfluss von Algorithmen. Hannover: Heise. ISBN : 978-3-944099-03-3

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